Details der Verkehrszählungen aus dem Gutachten der Stadt Limburg und der Bundesanstalt für
Strassenwesen, Ergänzung zu dem von Ralf Jung-König auf der Informationsveranstaltung am 29.03.2012
gehaltene Vortrag zu dem Thema Verkehrsgutachten.
Eingeladen waren auch die Vorsitzenden der Fraktionen des Limburger Stadtparlamentes, die bis auf die FWG alle der Einladung gefolgt waren.
Wie Prof. Distler einleitend ausführte, wird die Diskussion um die verschiedenen Umgehungsvarianten bereits seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts geführt – je nach den politischen Mehrheiten in der Stadt mit wechselnden Trassenprioritäten. Vergleicht man rückblickend diese in mehr als 20 Jahren entstandenen Gutachten mit ihren wechselnden Trassen-Empfehlungen, dann entstehen Fragen nach deren Tiefgang und tatsächlicher Aussagekraft, was Ralf Jung-König an einigen Beispielen eindrücklich demonstrieren konnte.
Die Firma Vertec hat zur Vorbereitung des Gutachtens den Durchgangs-Verkehr in einer Übersichtszählung sowie in weiteren Detailuntersuchungen an mehreren Stellen gezählt (Karten auf Seite 46 und 86 des Verkehrsgutachtens). Diese Zahlen wurden vom Verein mit den Verkehrszahlen verglichen, die von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) alle fünf Jahre für alle Strassen im Bundesgebiet durchgeführt werden. Einige Zählpunkte stimmen in den beiden Zählungen überein und können daher direkt miteinander verglichen werden.
Vergleicht man das von der Firma Vertec im Auftrag der Stadt Limburg erstellte Verkehrs-Gutachten mit den Verkehrszählungen des BAST, dann fällt auf, dass die Zahlen der Firma Vertec für bestimmte Stellen große Abweichungen nach oben aufweisen, während für andere Stellen in der Stadt weitgehende Übereinstimmung in beiden Zählungen besteht. Eine Abweichung nach unten wurde nie gefunden.
Für die Zählstelle auf der Diezer Straße in Höhe des VW-Autohauses weichen die Zählungen der BAST und Vertec für verschiedene Jahre signifikant voneinander ab. Die Zahlen der Firma Vertec nehmen für das Jahr 2005 eine im Vergleich mit den BAST-Zahlen um 46% höhere Verkehrsbelastung an. Die Firma Vertec gibt für die beiden von ihr durchgeführten Zählungen (Übersicht und Detail) zudem verschiedene Werte an. Ähnliche Abweichungen nach oben im Gutachten der Firma Vertec gibt es beispielsweise für die Zählstelle an den Fischteichen Linter sowie weitere Detail-Zählstellen im Umfeld der Trasse der geplanten Südumgehung.
Für die Zählung am Ortsausgang Limburg B49 Richtung Wetzlar (Höhe Leo-Sternberg-Schule) sowie am Ortsausgang Holzheim in Richtung Limburg stimmen die Zahlen von Vertec und der BAST dagegen ziemlich genau überein.
Während also die von der Firma Vertec für das Gutachten und der BAST ermittelten Verkehrszählungen für einige Zählstellen genau übereinstimmen, hat die Firma Vertec an einigen Punkten signifikant höhere Verkehrsaufkommen gezählt und prognostiziert. In einem anderen Zusammenhang (Ausbau der Werkstadt Limburg) haben Gutachter der gleichen Firma jedoch einen Rückgang der allgemeinen Verkehrsentwicklung in Limburg und insbesondere in der Diezer Straße prognostiziert.
Es stellt sich daher die dringende Frage, warum die Verkehrszählungen an den für den Trassenverlauf der Südumgehung entscheidenden Stellen im Gutachten der Stadt Limburg bis zu 53% von den Zählungen der BAST abweichen, zumal die Zahlen der BAST sowie die Aussagen des Gutachters selbst in anderem Zusammenhang auf einen Rückgang der Verkehrsbelastung seit 2005 hinweisen.
Das städtebauliche Gutachten beurteilt die Erreichbarkeit von Zielen für den nicht-motorisierten Verkehr. Wichtigste Arbeitsgrundlage des städtebaulichen Gutachtens ist das Verkehrsgutachten der Firma Vertec aus dem Jahr 2005 mit mittlerweile überholten Zahlen – diese basieren teilweise auf 10 Jahre alten Zählungen.
Vertec geht von einer Steigerung der Bevölkerung im Landkreis Limburg-Weilburg in Höhe von 5% aus. Die Landesagentur Hessen gibt dagegen für den Landkreis Limburg-Weilburg für den vom Gutachten betrachteten Zeitraum zwischen 2005 und 2020 eine kontinuierlich abnehmende Bevölkerungsentwicklung um -5,37% an. Es ist daher festzustellen, dass die vom städtebaulichen Gutachten angenommene Bevölkerungsentwicklung in der Wirklichkeit nicht bestätigt werden kann. Das Gutachten sollte daher fortgeschrieben werden.
Für eine Reihe weiterer Siedlungsflächen hat das Gutachten falsche Annahmen gemacht, oder die getroffenen Annahmen sind durch Veränderungen wie z.B. den Ausbau der Werkstadt in der Zwischenzeit völlig überholt.
Das im Jahr 2005 erstellte Gutachten berücksichtigt für den Siedlungsbereich Diezer Straße nicht den Bau der Werkstadt, des Kreisels sowie der Seniorenanlage. Für das Kasselbachtal wurde das Wohnheim der Lebenshilfe nicht berücksichtigt.
Die Wegeverbindungen zwischen Blumenrod und Linter werden keine Bedeutung für die Naherholung beigemessen, da es sich bei den Aussagen des Gutachtens hier um eine unattraktive Landschaft handele.
Das Gutachten kommt zu dem Urteil, dass Lärm und städtebauliche Einschränkungen ein „Ausschlusskriterium“ für die Variante 1a darstellen. Um diese Variante doch bauen zu können, muss die Stadt Limburg in einem Wohnbauflächenentwicklungskonzept Kompensationsmöglichkeiten für die geplanten Baugebiete Blumenrod 5-7 nachzuweisen. Ohne dieses Konzept ist laut Gutachter eine Planung der Variante 1a nicht möglich; diese wird aber von der Stadt Limburg weiter verfolgt.
Die Westumgehung geht auf Planungen aus den neunziger Jahren zurück, die aber mit dem Regierungswechsel von der CDU-Stadtregierung fallen gelassen wurde. Als Alternative zu den beiden Trassen 1 und 2 wurde die Westumgehung in den letzten Monaten wieder verstärkt ins Gespräch gebracht.
Laut Professor Distler ist eine Umgehungsstraßenlösung West in der früher projektierten Lösung aus verschiedenen Gründen in den nächsten 15 Jahren wohl nicht darstellbar. Allerdings sollte man, insbesondere nach der Konversion der Kaserne in Diez, über eine „kleine Lösung“ zur Entlastung der Diezer Straße nachdenken.
Eine Westumgehung könnte als Ortsstraße zeitnah und ohne Abstimmung mit dem Bund in drei Abschnitten gebaut werden. Dabei könnten für einen Abschnitt vorhandene Strassen der ehemaligen Kaserne Diez genutzt werden. Ein zweiter Abschnitt könnte um den Schafsberg herum das ehemalige Kasernengelände mit der Ste.-Foy-Strasse nach Staffel verbinden. Diese Lösung verschiebe aber nur den Verkehr und schaffe nur neue Verkehrsprobleme für andere Bürgerinnen und Bürger.
In der abschließenden Publikums-Diskussion wurde die Frage gestellt, warum die Zusammenarbeit zwischen Limburg und Diez in den Fragen des Verkehrs nicht besser funktioniert. Die gemeinsamen Verkehrsprobleme können nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit über Ländergrenzen gelöst werden.
Mehrere Wortmeldungen wiesen noch einmal auf die Mängel des von Fachleuten erstellten Gutachtens hin, das mit Steuergeldern erstellt wurde. Es könne nicht Aufgabe der Bürger sein, diese Mängel zu erkennen und aufzuarbeiten.
Vertreter des Stadtparlamentes berichteten, dass sich die Entscheidung zur Südumgehung in der Beratung der Ausschüsse des Stadtparlamentes befindet, die in mittlerweile vier Beratungsgängen alle Gutachter noch einmal angehört haben, um die noch offenen, teilweise durch die Arbeit des Vereins aufgeworfenen Fragen zu klären. Auch die heute dargestellten Abweichungen der Verkehrszählungen seien mit dem zuständigen Gutachter noch einmal kritisch zu hinterfragen.
Das vor dem Hintergrund der dramatisch gestiegenen Kostenschätzungen fragliche Kosten-Nutzen-Verhältnis der Trassenvarianten wird in einer kommenden Sitzung behandelt.
Die Vertreter der Fraktionen des Stadtparlamentes nahmen die Gelegenheit wahr, noch einmal ihre bekannten Positionen darzulegen. Während die Grünen alle Umgehungsvarianten ablehnen, präferiert die SPD weiterhin die Alttrasse, allerdings mit einer „großen Tunnellösung“ zwischen Holzheimer und Wiesbadener Strasse. Sollte sich diese Lösung als nicht wirtschaftlich darstellen, werde die Nulllösung empfohlen. Die CDU-Fraktion möchte die noch ausstehenden Anhörungen abwarten, bevor sie eine abschließende Empfehlung abgebe. Die finale Trassen-Entscheidung sei dann durch einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Die Vertreterin der BZL wies noch einmal auf die seinerzeit durch Gutachten nachgewiesenen Vorteile der Westumgehung sowie deren wechselhafte Historie hin.
Ralf Jung-König betonte noch einmal, dass der Verein „Keine Südumgehung Limburg e.V.“ keine Trassenempfehlung verfolge, sondern sich seit mehreren Jahren darauf konzentriere, die komplexe Sachlage zu dem Projekt sowie die offensichtlichen Fehler der Entscheidungsvorlagen aufzuklären, um eine fundierte und auf Tatsachen beruhende Trassen-Entscheidung zu ermöglichen. Zudem wies er noch einmal darauf hin, dass die geplante Umgehung Limburg nachweislich nur Teil einer größeren Ost-West-Verbindung („Brummipiste“) sei; Ergebnis aller Gutachten sei letztlich, dass die Limburger Innenstadt durch eine Umgehung nicht wirksam entlastet werden könne.